Mittwoch, 17. September 2014

Zuhause ist es doch am schönsten

Ich verreise nicht mehr gerne. Ein Grund dafür ist, dass ich meine beiden Katzen nicht mitnehmen kann - und ohne sie kann ich nicht einschlafen. Aber wenn ich schon verreisen muss, was ein hoffentlich gnädiges Schicksal mir so wenig wie möglich auferlegen möge, dann am liebsten mit der Bahn.

Sie mögen sich jetzt fragen, warum mit der Bahn, das ist für Reisen in ferne Länder wohl nicht das richtige Verkehrsmittel. Nun, das mag richtig sein, aber die Entscheidung fand immer im Ausschlussverfahren statt.

Also schließen wir aus: Bus und Schiff kommen wegen heftiger Seekrankheit zu Wasser und zu Lande nicht in Frage. Ebenso rasch lässt sich das Flugzeug wegen extremer Höhenangst streichen. Somit ist also auch der Luftweg versperrt.

Ich kann mir vorstellen, was Sie jetzt wissen wollen: "Hat sie es überhaupt ausprobiert?". Ja, hat sie.
Schon als Kleinkind spuckte ich meinem Onkel, der im Sonntagsstaat am Steuer seines Autos saß und die ländliche Familie in die glitzernde Großstadt Nürnberg steuerte, in den Nacken. Und eine Busfahrt unseres Schülerchors zur Begrüßung der bayerischen Landesmutter endete damit, dass eine Mitschülerin nicht mitsingen konnte: Ihre Kleidung trug die Spuren und den Geruch meines Mittagessens.

Mit dem Schiff machte ich sogar mehrere negative Erfahrungen, angefangen mit einer Rundfahrt im Hamburger Hafen, bei der eine Mitreisende und ich - ich denke wir waren beide zwölf - zu Beginn der Fahrt die einzige Toilette gemeinschaftlich besetzten. Die Türe öffneten wir erst, als wir wieder anlegten.

Als Teenager wagte ich dann eine Überquerung des Mittelmeers von Genua nach Tunis auf einem großen Schiff mit Stabilisatoren. Ohne unangenehme Einzelheiten zu nennen kann ich doch sagen, die einzige Zeit, in der mein Magen einigermaßen stillstand war, als ich schlief - und so schlief ich so viel ich konnte.

Damit sind wir bei der letzten Möglichkeit angelangt: der Bahn. Damit lässt es sich glücklicherweise ziemlich problemlos reisen. Ganz besonders gerne erinnere ich mich an meine erste Fahrt, die ich alleine machen durfte. Ich glaube, ich war gerade mal sieben Jahre alt und ich fuhr von Pleinfeld nach Mühlstetten, um meine Mutter zu besuchen. Das war eine Station, Fahrzeit circa sieben Minuten. Meine Oma setzte mich in das Abteil und bat einen unbekannten Mitreisenden, mir die Türe am Zielbahnhof zu öffnen, da die Mechanik in dieser Zuggeneration sehr schwer zu bedienen war. Und dann gab sie mir gute Ratschläge mit auf den Weg und ich war mächtig aufgeregt. Ich fühlte mich großartig, irgendwie wie im Märchen und war mächtig stolz auf mich. Seit dieser Zeit hat das Reisen mit der Bahn, auch auf kurzen Strecken, bis heute etwas Abenteuerliches und Verzauberndes.

Da die Möglichkeit andere Verkehrsmittel zu benutzen ja leider nicht gegeben war, brachte ich auch schon weitere Strecken mit der Bahn hinter mich. So fuhr ich an meinem 18. Geburtstag mit einer griechischen Familie von Nürnberg aus den ganzen italienischen Stiefel entlang bis an dessen Ferse. Die kurze Überquerung mit der Fähre nach Griechenland möchte ich lieber nicht beschreiben.

Was ich ganz besonders an Zugreisen liebe lässt sich am Beispiel einer ganz besonderen Fahrt darstellen. Das Ziel war St. Malo in der Normandie. Im Liegewagen ging es von Frankfurt nach Paris, wo ich die halbe Nacht am Fenster stand und in die Dunkelheit schaute, Simon und Garfunkel im Ohr und die Gedanken einfach schweifen ließ. Ab und zu bewunderte ich an fremdartigen Bahnhöfen die schmiedeeisernen Geländer und Lampen und ich versuchte, die ungewohnte Schrift zu entziffern.
Meinen ersten Aufenthalt in Paris während der vierstündigen Wartezeit auf den Anschlusszug werde ich nie vergessen: Samstagmorgen, sieben Uhr, strahlender Sonnenschein in einer Stadt, die mich mit Charme und Charisma umarmte. Gegen Mittag ging es mit dem TGV nach Rennes, vollklimatisiert und mit Speisewagen. Von dort aus fuhr ein Bummelzug nach St. Malo, wo ich weite Strecken ein Abteil für mich ganz alleine hatte und herrlich dösen konnte. Abends kam ich ziemlich zerknittert aber gut gelaunt und glücklich an meinem Zielbahnhof an. Gerade die verschiedenen Etappen dieser Reise machten diesen Tag zu einem einzigartigen Erlebnis.

Ich glaube, diese Rückblicke haben es deutlich werden lassen: Wenn ich schon verreisen muss, dann mit dem Zug. Wenn ich viele Stunden unterwegs bin, dann habe ich endlich Zeit, meinen Gedanken und Ideen nachzuhängen, manchmal nehme ich meinen Mini-Disc-Player mit und höre endlich CD's, die aus Zeitmangel sonst nur im Regal verstauben. Oder ich lese endlich wieder ein gutes Buch. Alternativ dazu habe ich auch immer halbfertig gestrickte Strümpfe dabei, die endlich fertig werden wollen.

Allerdings ist auch die Bahnfahrt mittlerweile nicht mehr das, was sie einmal war: Die deutschen ICE's legen sich so weich in die Kurven, dass ich auch in ihnen seekrank werde. Das ist der zweite Grund, warum ich jetzt auch im Urlaub lieber zuhause bleibe und mit meinen Katzen kuschle.

© Petra Schuster
Nürnberg, 25.09.2002

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